Forschungsprojekt

Ein Forschungsprojekt zum Sprechen über psychische Gesundheit und Krankheit

Reden über psychische Probleme, Krisen, Konflikte und Erkrankungen hat eine lange Tradition und im Allgemeinen wird angenommen, dass es bei deren Bewältigung helfen kann. Gespräche ermöglichen eine Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen; Gespräche sind immer bereits soziale Interaktionen und tragen so zu Einbindung und Teilhabe bei; durch Gespräche können gesellschaftliche Tabus und Stigmata abgebaut werden. So wird das „Drüber Reden“ auch aktuell in verschiedenen Kampagnen beworben. Jedoch erleben viele das Reden über psychische Probleme, Krisen, Konflikte und Erkrankungen als schwierig. Die Erfahrungen, die im Rahmen einer psychischen Erkrankung gemacht werden, sind oft neu, verwirrend, und werden als nur schwer beschreibbar und mitteilbar erlebt. Häufig sind Gefühle von Trauer und Scham mit ihnen verbunden und auch gesellschaftliche Tabus und Stigmatisierung führen dazu, dass Betroffene oft Schwierigkeiten dabei erleben, mit Freund:innen, Angehörigen, Arbeitgeber:innen oder anderen über ihr Erleben zu sprechen.

In diesem Forschungsprojekt untersuchen wir aus psychiatrischer, linguistischer und Erfahrungs-Perspektive, wie das „Drüber reden“ trotzdem gelingen kann. Wie lassen sich die Erfahrungen in Worte fassen und welche Strategien werden verwendet, um darüber in Austausch zu treten?

Dazu zeichnen wir unterschiedliche Arten von Gesprächen auf. Mittels inhalts- und gesprächssanalytischer Methoden suchen wir nach kommunikativen Ressourcen, die zur Lösung dieser Aufgabe genutzt werden. Ein Kernziel des Projektes ist, die gewonnenen Erkenntnisse sowohl in die Fachpraxis als auch in die Öffentlichkeit zu tragen, um zu einem verständnisvolleren und offeneren Sprechen über psychische Probleme, Konflikte, Krisen und Erkrankungen beizutragen und insbesondere Betroffenen und Angehörigen mehr Stimme verleihen. Das partizipative Design, d.h. die Beteiligung aller (Betroffene, Angehörige, Arbeitgeber:innen, Professionelle) an der Projektplanung, der Datenerhebung- und  -analyse sowie der Kommunikation der Ergebnisse ermöglicht auch innerhalb des Projekts Austausch und Teilhabe.

Das Projekt ist angesiedelt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und am Deutschen Seminar der Universität Zürich.

Es wurde oder wird gefördert von: Guido Fluri Stiftung, Stiftung zur Förderung von Psychiatrie und Psychotherapie, Citizen Science Zürich der UZH und ETH und der Hans und Marianne Schwyn Stiftung.

Ausgewählte Publikationen:
– Maatz, Anke; Ilg, Yvonne; Wiemer, Henrike (2021): Sprechen über psychische Erkrankungen: Drüber reden! Aber wie? In: Leading Opinions Neurologie & Psychiatrie 2021(2), 6-7.
– Mondardini, Maria Rosa; … Maatz, Anke et al. (2021): Practicing Citizen Science in Zurich: Handbook. Zürich. DOI: https://doi.org/10.5167/uzh-207987 .
– Maatz, Anke; Ilg, Yvonne; Wiemer, Henrike; Kleiner, Rahel; S., E.; Hofmann, Julian; Schmid, Anja; Hoff, Paul (2022): Wahnsinns Sprache! Eine qualitative Untersuchung zur kommunikativen Darstellung von Wahn im Gespräch. In: Der Nervenarzt, 1-7.
– Kleiner, Rahel; Wiemer, Henrike; Maatz, Anke (2022): Towards a systematic description of distance in autobiographical narratives of mental illness. In: Swiss Archives of Neurology, Psychiatry and Psychotherapy 173, 46-54.
– Wiemer, Henrike; Ilg, Yvonne; Maatz, Anke (2022): Nichts zu lachen? Humor in Gesprächen über psychische Erkrankungen. In: Kerbe. Forum für soziale Psychiatrie 40(3), 13-16. Link zum PDF
– Maatz, Anke; Ilg, Yvonne; Wiemer, Henrike (2022): Einfach drüber reden? Eine interdisziplinäre Untersuchung zu Schwierigkeiten und Ressourcen beim Reden über Erfahrungen psychischer Erkrankungen. In: Sozialpsychiatrische Informationen 52(3), 6-12.
– Ilg, Yvonne; Maatz, Anke (2022): Leichter gesagt als getan? Ein Bericht aus der interdisziplinären Praxis zwischen Linguistik und Medizin. In: Scientia Poetica 26(1), 245–262.
– Wiemer, Henrike; Ilg, Yvonne; Maatz, Anke (2023): Neue Forschungsräume eröffnen. Einblicke in Raum und psychische Gesundheit. In: Hoffmann M.; Hoffmann T.; Pfahl, L. et al. (Hg.): Raum. Macht. Inklusion. Inklusive Räume erforschen und entwickeln. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 97-105.
– Ilg, Yvonne (2024): Konzeptualisierungen von (A-)Normalität in Gesprächen über psychische Gesundheit und Krankheit. In: Bauer, N.; Günthner, S.; Schopf, J. (Hg.): Die kommunikative Konstruktion von Normalitäten in der Medizin. Gesprächsanalytische Perspektiven. Berlin, Boston: de Gruyter, 207-231. https://doi.org/10.1515/9783110761559-009
– Wiemer, Henrike (2024): „… wie ein Strohhalm“. Menschen mit psychischen Erkrankungen berichten über Hoffnung. In: Kerbe. Forum für soziale Psychiatrie 43(3), S. 20.
– Yoker, Ümit (2024): Wahn und Worte. Bei psychischen Problemen hilft es, darüber zu reden. Die Frage ist, wie das gelingen kann. In: UZH Magazin 3/2024, 20–23. Link zum PDF